Brexit und E-Commerce I:
Folgen für UK-Shops – die rechtliche Perspektive

von Esther Schwan – 14 Min. Lesedauer
zuletzt aktualisiert 30.03.2023

Das Drama begann am 23. Juni 2016 mit einem Referendum, dessen Ergebnis wie ein Donnerschlag durch Europa hallte: 52 Prozent der Teilnehmenden stimmten für den Austritt, das Vereinigte Königreich verlässt die EU!

Vier Jahre dauerte der Exit-Prozess. Theresa May trat zurück, Boris Johnson kam; beschwor lange Zeit den harten No Deal, um sich am Heiligabend 2020 kurz vor Fristende mit der EU-Kommission doch noch auf ein Handelsabkommen zu einigen. Seit dem 01. Januar 2021 ist es dennoch Tatsache: Großbritannien und Nordirland sind offiziell nicht mehr Teil der EU.

Seitdem herrscht viel Unsicherheit, nicht zuletzt im Onlinehandel. Denn wo UK-Shops ihre Waren vor wenigen Monaten noch problemlos und zollfrei nach ganz Europa verschicken konnten, stehen sie jetzt vor hohen bürokratischen Hürden.

Mit ebendiesen beschäftigen wir uns in diesem und unserem kommenden Artikel zum Thema Brexit und E-Commerce. Schwerpunkt heute: Die rechtlichen Aspekte des Brexits für den E-Commerce. Als Experte steht uns für diesen Beitrag LL.M. Lazar Slavov zur Seite, der als Senior Legal Consultant für Trusted Shops und Rechtsanwalt der Kanzlei FÖHLISCH nicht nur selbst zum Thema Brexit und E-Commerce publiziert, sondern auch zahlreiche UK-Shops in Rechtsfragen rund um den EU-Austritt berät und vertritt.

Britische Flagge in Nahaufnahme

The More Things Change: Die Rahmenbedingungen für E-Shops nach dem Brexit

Die gute Nachricht zuerst: Zwar gilt das United Kingdom im Sinne des EU-Rechtes nach seinem EU-Austritt als Drittland, drastische Veränderungen in Rechtsfragen haben sich für Onlineshops aus dem Vereinigten Königreich dennoch kaum ergeben. Lazar Slavov erklärt nämlich:

„Nachdem lange die Sorge vor einem harten Brexit die Runde gemacht hatte, konnten sich die Parteien im letzten Moment glücklicherweise doch noch auf ein Handels- und Kooperationsabkommen einigen. Damit wurden zwar nicht alle Fragen bis ins kleinste Detail geklärt, allerdings die Rahmenbedingungen für den Onlinehandel rechtssicher abgesteckt. Momentan gilt das sogenannte retained EU law, das jedem unmittelbar anwendbaren oder umgesetzten EU-Recht für den E-Commerce im Vereinigten Königreich weiterhin Gültigkeit verleiht.“

Einfach ausgedrückt heißt das: Was vor dem Brexit Recht und Gesetz im E-Commerce war, gilt größtenteils auch weiterhin. Etwa die gesetzlich vorgeschriebenen Garantiezeiten, der Inhalt des Impressums einer Webseite oder verpflichtende Angaben zu den Inhaltsstoffen eines Produktes. UK-Shops müssen hier momentan keinerlei Änderungen vornehmen.

Änderungen sind aber jederzeit möglich. Unser Experte sagt:

„Mit Hinblick auf das britische Verhalten in der Vergangenheit hinsichtlich des E-Commerce rechne ich nicht mit drastischen Änderungen in der Rechtsauslegung. Der Onlinehandel ist für die Insel ein zu großer Wirtschaftsfaktor, als dass die Regierenden dort weitere Hürden aufbauen würden. Ganz aus den Augen sollte man die aktuelle Rechtslage aber trotzdem nicht lassen.“

Daten- und Verbraucherschutz: So steht es um die DSGVO

Datenschutz wird in der Europäischen Union bekanntlich sehr ernst genommen und die Datenschutzgrundverordnung (DSVGO), beziehungsweise General Data Protection Regulation (GDPR), sorgten schon vor dem Brexit bei vielen Händler:innen für Aufwand.

Allerdings können wir auch hier Entwarnung geben. Unser Rechtsexperte erläutert:

„Bis zum 01. Januar 2021 galt die Datenübertragung nach UK nicht als Übermittlung in ein Drittland; blieb also vorerst ohne Weiteres erlaubt. Nach Ablauf dieser Frist wurde diese Ausnahmeregelung zunächst verlängert, bis die Europäische Kommission nach ein paar Monaten einen sogenannten Angemessenheitsbeschluss traf, der die Datenübertragung auch zukünftig problemlos hält.“

Für Nichtjuristen: Der Angemessenheitsbeschluss ist ein Instrument der DSGVO, mit dem die EU feststellt, dass in einem Drittland vergleichbar strenge Datenschutzbestimmungen herrschen, wie innerhalb der Union. Folge ist, dass sämtliche Daten ohne weitere Genehmigung zukünftig an dieses Drittland übertragen werden dürfen.
Oder in aller Kürze: Wenn dein Shop bislang der GDPR entsprochen hat, werden dir auch in Zukunft keine Kontinentalanwält:innen auf die Füße treten. Allerdings kann ein Angemessenheitsbeschluss jederzeit widerrufen werden.

Problemfall Zoll

Natürlich ist für den Handel aus UK nach Europa nicht alles so einfach, wie die groben rechtlichen Rahmenbedingungen oder die DSGVO.

Für die meisten Händler:innen ist das größte Problem derzeit der Zoll. Denn die Regelungen der europäischen Freihandelszone, die den Binnenhandel in der EU so angenehm gestalten, gelten für das Vereinigte Königreich nicht mehr. Fast alle Waren, die aus UK exportiert werden, müssen jetzt angemeldet und verzollt werden – und das hat laut Rechtsanwalt Slavov durchaus Folgen:

 

EORI-Nummer

„Das Wichtigste für Händler:innen, die in die EU exportieren wollen, ist zunächst die Beantragung einer eigenen Economic Operators‘ Registration and Identification (EORI) Nummer, denn ohne diese sind zollrechtliche Handlungen innerhalb der EU grundsätzlich nicht mehr möglich. Allerdings lässt sich der Vorgang im Bürger- und Geschäftskundenportal des Zolls relativ unbürokratisch erledigen.“

Preisangaben

„Weiterhin ist es wichtig zu wissen, dass nach geltendem EU-Recht im Endpreis einer Onlinebestellung genau aufgeschlüsselt sein muss, wie dieser sich zusammensetzt. Das bedeutet, die Abgaben für Zoll und Steuer müssen als separate Posten angegeben und nicht einfach in den Verkaufspreis einberechnet werden.
Gerade in Deutschland ist man hier sehr empfindlich. Händler:innen, die sich nicht an diese Vorgabe halten, müssen mit einem Schreiben der berüchtigten Abmahnanwälte rechnen. Für Endkund:innen ergeben sich aus diesen Abgaben Preise, die zehn bis 15 Prozent höher sind, als vor dem Brexit.“

Lieferzeiten

„Aus meiner Tätigkeit als Berater für Trusted Shops weiß ich zuletzt, dass die Zollabwicklung häufig für deutlich längere Lieferzeiten sorgen kann. Wir sprechen hier leider nicht von ein paar Tagen, sondern von Zeiträumen von zwei bis drei Wochen. Händler:innen sollten sich also auf Verzögerungen einstellen und ihre Kund:innen entsprechend informieren. Sonst drohen ihnen erboste Anfragen beim Customer Support, ein deutlicher Vertrauensverlust und langfristig fallende Umsätze.“

Keine Regel ohne Ausnahme: Zollfreie Ursprungserzeugnisse

Stempel auf weißem Papier

Die EU wäre nicht die EU, wenn die Dinge nicht einen Tick bürokratischer wären, als sie vielleicht sein müssten. Denn: Nicht jede Ware ist zollpflichtig, sogenannte Ursprungserzeugnisse sind von der Abgabe ausgenommen.

Bei Ursprungserzeugnissen handelt es sich um Güter, die laut dem geltenden Handels- und Kooperationsabkommen „entweder im Land des jeweiligen Vertragspartners (hier also UK) vollständig gewonnen oder hergestellt wurden oder die entsprechenden produktspezifischen Verarbeitungskriterien besitzen.“

Entsprechende Zertifikate aus dem United Kingdom werden von der EU nicht mehr anerkannt. Deshalb rät unser Experte:

„Ob ein Produkt die Ursprungseigenschaften besitzt, muss leider für jeden Einzelfall separat geprüft werden. Bei einem breiten Produktportfolio ist es allerdings fragwürdig, ob der Aufwand sich lohnt. Händler:innen mit einem spezialisierten Angebot empfehle ich eine Rechtsberatung, um so auf jeden Fall auf der sicheren Seite zu sein.“

Attraktiv bleiben: So verkaufst du weiterhin zuverlässig in die EU

Es ist also vorwiegend der Zoll, der Händler:innen das EU-Geschäft mit höheren Preisen und längeren Lieferzeiten vermiesen kann. Um für Kund:innen vom Festland dennoch weiterhin eine attraktive Shoppinggelegenheit zu bleiben, rät Lazar Slavov:

„Als Legal Consultant für Trusted Shops empfehle ich meinen Mandant:innen drei Dinge: Transparenz, Transparenz und noch mal Transparenz.“

Gleiches gilt für die Preise: Seid ehrlich und kennzeichnet Zoll und Steuern möglichst früh. Denn nichts hassen Käufer:innen mehr, als von versteckten Kosten überrascht zu werden. Diese führen schlussendlich nur zu Warenkorbabbrüchen und verheerenden Bewertungen. Wenn Kund:innen ein Produkt wirklich wollen, stören zehn Prozent für den Zoll oft nicht. Das Gefühl, übervorteilt zu werden, ist dagegen der kaufmännische Totalausfall.

Lange Lieferzeiten können zum einen direkt im Shop transparent kommuniziert werden. Aber es gibt noch eine andere Lösung für das EU-Geschäft: die Zusammenarbeit mit einem Fulfillment-Dienstleister wie Alaiko. Versendet ihr die Produkte an EU-Kund:innen direkt aus der EU, spart ihr euch komplizierte und langwierige Prozesse. Auch das Retourenmanagement wird so deutlich vereinfacht. Eure Kund:innen stehen dabei immer im Mittelpunkt: Sie erhalten ihre Lieferungen nicht nur deutlich schneller, sondern können sie auch bis zur Zustellung intuitiv verwalten und verfolgen.

Brexit und E-Commerce: Vorsichtiger Optimismus

Der Brexit hat den E-Commerce verändert. Dank neuer Abkommen und Beschlüsse blieb zunächst vieles beim alten, die Lage kann sich aber jederzeit ändern. Besonders viele Probleme verursacht momentan der Zoll. Aber auch hier gibt es Lösungen – zum Beispiel durch die Zusammenarbeit mit einem Fulfillment-Partner, der dich unter anderem beim internationalen Versand mit einem maßgeschneiderten Paket unterstützt.

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Das positive Schlusswort überlassen wir gerne unserem Experten:

„Onlinehändler:innen aus UK dürfen vorsichtig optimistisch in die Zukunft blicken. Das Land weiß um die Wichtigkeit des E-Commerce und ist bemüht, Shopbetreibenden möglichst wenig Steine in den Weg zu legen.
Inzwischen reagieren die Verantwortlichen immer schneller und kompetenter auf die sich verändernde Situation und stellen brauchbare Leitfäden bereit, die Händler:innen das Leben ein wenig leichter machen. Für alle, die sich vollständig auf der sicheren Seite wissen möchten, stehen außerdem kompetente Rechtsberater zur Verfügung.“

Titelbild von James Giddish. Weitere Bilder von Markus Spiske.

 
Esther Schwan
PR & Content Lead DACH

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