Analyse: Welche Ursachen haben die schlechten Bewertungen?
Sofort fällt auf, dass sich die Beweggründe der Kund:innen, eine schlechte Bewertung abzugeben, zwischen dem Fünf-Sterne-Shop und dem Drei-Sterne-Shop deutlich voneinander unterscheiden.
Aufteilen lassen sie sich wie folgt:
Mängel am Produkt
Der erste von uns betrachtete Shop fährt einen Großteil seiner schlechten Bewertungen ein, weil Kaufende unzufrieden mit der Qualität der Ware sind: Der Vorhang ist zu kurz, der Wäscheständer defekt, die Herrenbrille sieht aus wie das Modell für die Dame.
Hier muss an der Qualitätssicherung gearbeitet, ein ernstes Gespräch mit dem Zulieferer geführt oder ganz einfach das eigene Produkt verbessert werden. Festzuhalten ist dabei ist vorwiegend, dass sämtliche Optionen, sich zukünftig negative Bewertungen zu ersparen, vollständig in der Hand des Unternehmens liegen. Alle Mängel sind hausgemacht und lassen sich durch Eigeninitiative abstellen.
Daher fährt der Shop zwar die ein oder andere negative Bewertung ein, kann darauf aber immer reagieren und das Problem aus der Welt schaffen – und kommt so auf seine hohe Anzahl an Sternen.
Fehler in der Logistik und falsch gehändeltes Erwartungsmanagement der Lieferzeit
Shop Nummer Zwei dagegen hat vor allem mit Problemen in der Logistik zu kämpfen: Waren werden falsch ausgeliefert oder erreichen die Kund:innen nur mit starker Verzögerung. Dabei entsprechen die Lieferzeiten nicht den Zahlen, mit denen der Shop wirbt, etwa weil falsche Informationen über die Warenverfügbarkeit vorliegen oder ganz fehlen. Sollte dann noch eine viel zu frühe Bewertungsaufforderung verschickt werden, bevor die Ware den Kunden erreicht, ist die schlechte Bewertung fast vorprogrammiert.
Ein kurzer Blick auf die FAQ-Seite des Unternehmens offenbart dabei, dass die Logistik zum einen händisch erledigt wird („Sende eine E-Mail an…“). Zum anderen ist ersichtlich, dass der Shop – wie fast jeder andere größere Onlinestore – auf die Zusammenarbeit mit einem Fulfillment-Partner setzt.
Daraus ergibt sich ein veritables Problem für den Social Proof des Unternehmens. Der von uns betrachtete Shop fährt regelmäßig schlechte Bewertungen ein, ohne daran eigenmächtig und ohne enormen Aufwand etwas ändern zu können. Denn die Ursachen für die Kritik liegen nicht intern, sondern extern bei seinem Fulfillment-Dienstleister.
Dem Store sind fürs Erste die Hände gebunden. Denn anders als Amazon, das im Weihnachtsgeschäft 2013 ebenfalls von seinen Fulfillment-Partnern im Stich gelassen wurde und daraufhin seine eigene Logistikabteilung erschuf, besitzt ein mittelständisches Unternehmen kaum den nötigen Etat für so eine Aktion.
Jede einzelne schlechte Bewertung hat damit dauerhaft Bestand. Eine Gelegenheit, die Kund:innen nachträglich zufriedenzustellen, existiert, abgesehen von einer unattraktiven Anpassung der Lieferzeitangaben, für den Shop nicht.
Reaktionen: Antworten auf negative Bewertungen
Wie eklatant der Unterschied zwischen hauseigenen Ursachen für schlechte Bewertungen und externen Gründen ist, könnt ihr zuletzt sehr gut an der Art und Weise sehen, wie unsere beiden Beispielshops auf Tadel reagieren.
Der Fünf-Sterne-Shop antwortet regelmäßig direkt auf seine Kritiker, verspricht eine schnelle Lösungsfindung und gibt Incentives für einen erneuten Einkauf. Im Falle des defekten Wäscheständers schreibt der Store etwa:
„Sehr geehrter Herr Derboben,
vielen Dank für Ihre Bewertung.
Es tut uns sehr leid, dass Ihr Teleskop-Wäscheständer defekt ist. Gerne werden sich unsere Kolleginnen und Kollegen aus dem Kundenservice in Österreich so schnell wie möglich erneut mit Ihnen in Verbindung setzen, um eine zufriedenstellende Lösung für Sie zu finden. Ihre Zufriedenheit ist uns sehr wichtig.
Wir danken sehr für Ihren Hinweis. Bleiben Sie gesund.“